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Deutsche Tagespost, 18 Maerz 1997

Kunst auf dem Schiffsfriedhof

Im Hafen von San Francisco entsteht ein international unterstuetztes Kulturzentrum

Der Schiffsfriedhof von Benicia bietet einen duesteren Anblick. In dem noerdlichen Seitenarm der San Francisco Bay rosten Dotzende alter Kriegsschiffe, die noch notduerftif fuer den Fall eines militaerischen Einsatzes unterhalten werden, vor sich hin. Nur an einer Stelle leuchtet es hell. Es ist die "Golden Bear", das erst vor kurzem ausrangierte Ausbildungsschiff der kalifornischen Marineakademie.
Einst ein Luxusdampfer, dann im Zweiten Weltkrieg von der U.S. Navy fuer Truppentransporte im Pazifik beschlagnhemt und in "USS Crescent City" umbenannt, wird sich das Schicksal der "Golden Bear" schon bald wenden. Bis 1999 soll sie zu einem schwimmenden multikulturellen Zentrum umfunktioniert werden und den ersten Campus der in Berlin und Zuerich ansaessigen Internationalen Friedensuniversitaet beherbergen. Noch jedoch hat der amerikanische Senat darueber zu befinden, wie und wann die "Golden Bear" ihrer neuen Bestimmunf uebergeben werden kann.
Verantwortlich fuer diese bevorstehende symbolische Wende ist die in Oakland asnaessige ArtShip Foundation. Die gemeinnuetzige Stiftung arbeitet seit vier Jahren daran, die "Golden Bear" im Hafen von Oakland am oestlichen Ufer der San Francisco Bay zu veraknern und in ein Friedens- und Kuenstlerschiff zu tranformieren. ArtShip zaehlt zu dem global agierenden Projekt der Foerdergemeinschaft Friedensuniversitaet (FGF) und hat es sich zum ziel gesetzt, mittels Kunst, Kultur und Erziehung das Leben in der von Aussterben bedrohten Vierteln der 400.000 Einwohner zaehlenden Hafenstadt zu revitalisieren. Die Organisation versteht sich als eine Basisinitiative, bei der jeder kuenstlerisch Interessierte Ideen einbringen und verwirklichen kann.
"Wir wollen den Menschen eine Stimme geben", erklaert der Initiator und Vorsitzende Slobodan Dan Paich. In eigenen Workshops bilden er und eine Reihe von Kuenstlern Laien zum Malen, Modellieren, Tanzen und Schauspielen fuer ihre teils ungewoehnlichen Projekte aus.
Zu den Ergebnissen dieser sich ausschliesslich auf Spenden stuetzenden Arbeit zaehlen etwa die Wiederbelebung der Geschaeftsmeile entlang des Broadway in Oakland und die allmaehliche Entwicklung des historischen Jack London Square zu einem sozialen treffpunkt. Wichtig dabei sei, so betint Paich, dass sich ArtShip keinen kommerziellen Kritierien unterwerfe. Sein Prinzip ist es, Kunst aus alltaeglichen Gebrauchsgegenstaenden zu schaffen. SO werden unter anderem aus alten Maschinen Roboter gebaut, die Behinderte beim tanzen unterstuetzen.
Die einmalige Transformation der "Golden Bear" passt zum Konzept der Foundation. Als unabhaengige Organisation ist ArtShip ein Teil des Netzwerks der Internationalen Friedensuniversitaet, die 850 Mitglieder in 45 Laendern zaehlt. Beide verstehen sich grundsaetzlich als Initiativen, die aus der Bevoelkerung heraus entstanden sind und von dieser getragen werden. "Wir sind eine Initiative der Basis, die versucht, verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen in ihre Arbeit miteinzubeziehen - das verbindet uns", so der Vorsitzende der FGF, Uwe Morawetz. Zu den Schirmherren seiner Gemeinschaft zaehlen der Dala Lama, Nelson Mandela und Ellie Wiesel.
Auch praktisch gesehen funktioniert die Zusammenarbeit zwischen ArtShip und Internationaler Friedensuniversitaet reibungslos. So teilen etwa Slobodan Dan Paich und Yehudin Menuhin die Position eines kuenstlerischen Leiters der FGF; eine Gruppe der in Oakland ansaessigen Stiftung wirkte im Spaetsommer 1995 an der Gestaltung der ersten Sommeruniversitaet der FGF in Berlin mit. Als Ziel definiert die 1991 gegruendete Friedensgemeinschaft die Entwicklung einer Lebensschule, in der eine Ethik des Mitgefuehls durch einen Wandel des Bewusstseins vermittelt wird. Langfristig gesehen will sie faecheruebergreifende Studiengaenge entwickeln, die sowohl Vertreter der Politik und Wirtschaft als auch der Religionen sowie Kuenstler mit einbeziehen.
Mit einer Einrichtung von entsprechenden Unterichtstaetten auf der "Golden Bear" hofft man im kommenden jahr, der Realisierung dieser Plaene ein gutes Stueck naeher zu kommen.
Dabei mangelt es keineswegs an prominenter Unterstuetzung: Fuer die in zwei Jahren geplante Friedenskonferenz in Oakland haben bereits Milos Forman, Joan Baez und Allen Ginsberg zugesagt.
Vor allem aber wird die "Golden Bear" ein Kulturzentrum sein. ArtShip sieht unter anderem die Einrichtung eines 500 Plaetze fassenden Theaters, verschiedener Musi-Uebungsraeume, einer Kuenstler- und eienr Tanzwerkstatt fuer Behinderte vor. Und wenn alles planmaessig verlaeuft, wird das Schiff unter der neuen Friedensflagge kuenftig auch Haefen in aller Welt anlaufen.