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Junge Welt, 2. Oktober 1992

Friedensforum, Friedensuni

In einer Zeit des Unfriedens sich mit dem Begriff Frieden in seiner umfaenglichen Bedeutung, zu naehern, ist Ziel der Friedensuniversitaet Potsdam

In Potsdam findet morgen die Auftaktveranstaltung zur Gründung einer Friedensuniversität statt. JW sprach mit Uwe Morawetz, Vorsitzender der "Fördergemeinschaft zur Gründung einer Friedensuniversität e.V.".
Was will die Friedensuniversität sein?
Die Friedensuniversität Potsdam soll bis 1995 als private Universität mit dem Ziel aufgebaut werden, Fach- und Führungskräfte ausWissenschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur sowie Vertreter der Weltkulturen und -religionen und Studenten aus aller Welt zu einem offenen, praxisorientierten Dialog zusammenzuführen.

Mit welchem Ziel?
Ein Forum zu sein, auf dem sich die unterschiedlichsten Konzepte zur Rettung des Planeten und zum Abbau von Gewalt, verschiedene gesellschaftspolitische Visionen und wirtschaftspolitische Denkmodelle miteinander messen und sich gegenseitig befruchten.

Wie soll das funktionieren?
Momentan stecken wir noch in der eher visionären Phase, in der wir uns anderswo umsehen, wie ähnliche Ideen praktiziert werden. Internationale Studenten wird es geben und einen internationalen Lehrkörper. Die Studiengänge werden in den nächsten Monaten von Professoren entwickelt, die eine Verbindung herstellen sollen zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Vermutlich postgraduale Studiengänge für Hochschulabsolventen, wobei uns der interdisziplinäre Aspekt sehr wichtig ist, genau wie der Praxisbezug. Geplant ist auch ein haus in Potsdam, in dem Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur sich für ein paar Wochen oder Monate ausgingen können aus dem Alltag, in Potsdam wohnen, um im direkten Lebensumfeld Lösungsansätze zu entwickeln. Zum Beispiel für die Ost-West-Problematik

Wann entstand diese Idee?
Vor etwa einem Jahr.Morgen gehen wir damit auf einer Matinee "Nachdenken zum Tag der deutschen Einheit" zum ersten Mal an die Öffentlichkeit. 1993 dann findet eine Serie von Potsdamer Friedensgesprächen im Schloss Cecilienhof statt, die sich mit der Ost-West-Problematik aus soziologischer, psychologischer, wirtschaftspolitischer und internationaler Sicht auseinandersetzen, 1994 planen wir als Vorlauf eine Sommer-Universität, wo über Wochen interdisziplinäre Veranstaltungen angeboten werden, so wie sie später an der Friedensuniversität laufen.

Wer ist "wir"?
Wir sind im Moment ein gemeinnütziger Verein "Fördergemeinschaft zur Gründung einer Friedensuniversität e.V." mit 530 Mitgliedern aus derzeit 45 Ländern, Studenten, Privatpersonen, die sich zusammengeschlossen haben mit dem Ziel, die Konzeption für die Universität zu entwickeln, die den Anforderungen und Herausforderungen des nächsten Jahrtausend gerecht wird.

Von wem wird das getragen?
Das Projekt wird von vielen Persönlichkeiten im In- und Ausland unterstützt. Zum Beispiel vom langjährigen sowjetischen Botschafter in Bonn, Dr. Valentin Falin, vom russischen Präsidenten Boris Jelzin, dem Dirigenten Sir Yehudi Menuhin, dem Psychoanalytiker Prof. Horts-Eberhard Richter, dem Bürgermeister Jerusalems, Teddy Kolleg, der Schauspielern Liv Ullmann und Richard Gere, con Oskar Lafontaine, der Sängerin Louie Andersen oder Dr. Eliis Huber, dem Präsidenten der Ärztekammer.

Warum haben Sie das gerade jetzt initiieret?
In einer Zeit des Unfriedens nicht nur in unserem Land halten wir es für wichtig, sich der wirklichen Bedeutung des Wort Friedens wieder anzunähern. Ihn nicht als pseudoreligiöses oder als politisches Phänomen zu sehen, sondern auch als sozialen Frieden, als Frieden in der Gemeinschaft. Wir werden öfters gefragt ob unser Projekt eine Fortsetzung der Friedensbewegung ist. Das jedoch sind wir nicht. Wir sind ein Verein, der politisch und weltanschaulich unabhängig ist und eben versucht, die verschiedensten geistigen Richtungen und Denkansätze zusammenzubekommen.